Saale-Ruderwanderfahrt 2017 von Naumburg nach Wettin
Geplant, erkundet und hervorragend organisiert von unseren bewährten Quartiermeistern Lutz und Bernd.
Teilnehmende: Gerd Brüggemann, Bernd Bruns, Christian Fiebrandt, Rüdiger Hauffe, Christian Hesse, Lutz Ohlendorf, Dietrich Peter, Hans-Henning Siemens, Georg Streichert, Ewald Uhlemann, Michael Zimmer, Rüdiger Zemlin.
Boote: Ratsvierer, Schwalbe, C.W.Ente.
Gesamtstrecke: 88,5 km.
Ein ziemlich subjektiver Fahrtbericht von Georg Streichert.
Prolog:
Diese Fahrt begann mit einem Tabubruch. Nach einem ungeschriebenen Gesetz durfte eine Beleuchtungs- und Bremseninspektion erst dann durchgeführt werden, wenn der beladene Bootsanhänger bereits an den Zugwagen gekoppelt war. Mängel, die dann festgestellt und nicht innerhalb von maximal 15 Minuten behoben werden konnten, wurden achselzuckend in Kauf genommen und ab ging die Luzie. Und es ist noch immer gut gegangen!
Diesmal überprüften Hans-Henning und Maximilian bereits eine Woche vor Fahrtbeginn Stecker und Kabel, beseitigten korrodierte Anschlüsse, ersetzten kaputte Lampen und überzeugten sich von deren einwandfreier Funktion. Auch die nervtötend quietschenden Bremsen wurden noch vor der Abfahrt durch gezielte Hammerschläge auf die Bremsbacken und mit einigen Tropfen Altöl in die Trommeln zum Verstummen gebracht.
Donnerstag, der 28.6.2017, von Hameln nach Bad Dürrenberg
„Wenn zu perfekt, liebe Gott böse!“
So lautet eine alte konfuzianische Weisheit. Unser unbedachter Verstoß dagegen sollte auch unsere lokalen Gottheiten erzürnen. Kaum hatten wir als siebenköpfige Vorhut Hameln verlassen, begann ein Dauerregen, der uns den ganzen Tag begleiten sollte. Statt wie geplant den Harz zu umfahren, leiteten uns Baustellen und Umleitungen immer tiefer in den niedersächsischen Hindukusch. Kurvige Passstraßen führten direkt in tiefhängende Wolken. Danach ging es entlang der Südostflanke bergab in die Sachsen-Anhaltinische Pampa.
Hans-Henning hatte seinen Fahrerjob routiniert erledigt und wurde von Gerd „Vettel“ Brüggemann abgelöst. Kaum hatte sich unser Gespann auf die Autobahn eingespurt, drückte sein Bleifuß derart aufs Gaspedal, dass unser Vito samt Bootsanhänger im Blindflug durch die Gischt der profillosen, ukrainischen Reifen an allen Lastern vorbeipflügte, als sei der Leibhaftige hinter uns her. So ließen wir die anhaltinische Agrarsteppe – verweizte und vermaiste Landschaften bis zum Horizont, von blühenden keine Spur – bald hinter uns, denn auch bei der Durchfahrt durch die menschenleeren Ortschaften, in denen keiner freiwillig tot über dem Stakettenzaun hängen möchte, war nicht mit Kollateralschäden zu rechnen, wenn man sie zügig durchquerte.
So erreichten wir gegen 14.30 Uhr unseren Anleger beim Naumburger Ruderverein, mussten allerdings wegen heftigen Niederschlags noch im Auto ausharren, bevor wir die Schwalbe und den Ratsvierer vom Hänger abnehmen und aufriggern konnten. Zweites traf aber nur für die Schwalbe zu, denn etwas konsterniert mussten wir feststellen, dass wir für den Ratsvierer nicht die passenden Ausleger eingepackt hatten. In panischer Gelassenheit gelang es uns, Christian Hesse zu kontaktieren, der zusammen mit Ewald erst am Nachmittag losfahren wollte. Zum Glück war er noch nicht unterwegs und konnte die passenden Ausleger mitbringen.
Nun musste nur noch die C.W. Ente zum Kanuclub Bad Dürrenberg gebracht werden, um sie für die Freitagetappe zur Verfügung zu haben. Das gelang bis auf eine Petitesse. Beim Rangieren mit leerem Hänger wurde das Verbindungskabel zwischen Vito und Hänger abgeklemmt und gab seinen Geist auf. Damit hatten wir die beleidigten Götter wieder versöhnt und von nun an sollte alles gut werden.
Nach einer Stippvisite in Wettin,, dem Endpunkt unserer Saalefahrt nördlich von Halle, wo wir den leeren Anhänger abstellen und das defekte Kabel reparieren lassen konnten, fuhren wir zurück nach Bad Dürrenberg, wo inzwischen auch Michael, Christian und Ewald angekommen waren, um im „Hotel zum alten Bade“ einzuchecken.
Es war schon gegen 19 Uhr, sodass das geplante Kulturprogramm in Merseburg ins Wasser fiel. Stattdessen wartete im Hotelrestaurant ein gedeckter Tisch mit gutbürgerlicher Küche auf uns.
Zur Wahl standen Rouladen „Hausfrauenart“ vom Rind oder vom Pferd. Wir entschieden uns für Rind und gegen das Halbfinale der Deutschen gegen Mexiko, das unsere Jungs dennoch 4 : 1 gewannen. Gut gesättigt und getränkt trollten wir uns in die Betten.
Freitag, der 28.6.2017, von Naumburg nach Bad Dürrenberg, 32km.
Es ist 10Uhr, die Boote liegen abfahrbereit am Naumburger Anleger, die Sonne scheint vom leicht bewölkten Himmel, Lufttemperatur 20°Celsius. Besser geht´s nicht.
Ortswechsel: Bahnhof Bad Dürrenberg, 9 Uhr.
Zwei unbetreute Senioren, Lutz und Hans-Henning, die nicht mehr in den Vito passten und per Zug und Taxi nach Naumburg fahren wollen, stehen am Gleis. Doch es fährt kein Zug nach Nirgendwo.
Jedenfalls nicht von diesem Gleis. Als sie ihre Lage erkennen, ist ihr Zug bereits abgefahren. Der nächste kommt in einer Stunde.
Um 11Uhr werden sie mit Erleichterung und kollektivem Jubel begrüßt, und die Tour kann beginnen.
Bereits nach wenigen Schlägen sind beide Ufer der Saale mit Weiden, Erlen, hohen Büschen Seggen und Schilf bewachsen. Blickdichte Vegetation in allen Nuancen des Grünspektrums, nur spärlich von Weidenröschen magentarot gesprenkelt, begrenzt unseren Seitenblick. Die Saale meandert in sanften Schlingen durch die uneinsehbare Landschaft. Unter uns das olivfarbene Wasser, über uns ein blauer Himmelsstreifen, in dem ein einsamer Bussard kreist. Nur das saugende Schmatzen unserer Riemenblätter durchbricht die Stille.
Eine Situation, die einen praktizierenden Buddhisten mit jedem Schlag der Erleuchtung näher bringen würde. Unsere Reiz-konditionierten Hirne jedoch wehren sich gegen diese Monotonie mit heiterer Geschwätzigkeit, können sich aber auf Dauer nicht vollständig der hypnotischen Wirkung entziehen.
Als Dr. Hauffe nach einem ausgiebigen Schluck aus der Bügelflasche mit geschultem Med-vet-Blick glaubt, eine Schildkröte gesehen zu haben, die auf einer Uferbank dösend ihre Schildpattkollektoren der anhaltinischen Sonne präsentiert, wissen wir: Es ist der Orinoko!
Nach einigen Kilometern werden wir von einem bedrohlichen Rauschen aus der Illusion gerissen. Rot-weiße Markierungen, die der österreichischen Flagge gleichen, warnen uns vor der Weiterfahrt in Richtung einer Staustufe. Den Merkspruch “Folgst du dem Strom nach Austria, kommst du dem nassen Tode nah!“ beachtend, bugsiert uns unser aufmerksamer Steuermann Christian H. nach Steuerbord in die erste der noch zahlreich folgenden Schleusen, in die uns eine freundliche Wärterin hineinwinkt. Sanft sinken wir in der engen Schleusenkammer um ca. 2,5 Meter auf das nächste Saaleniveau. Christian treibt unser Boot mit kräftigen Paddelschlägen seines Enterhakens aus der Kammer und bald schon rudern wir wieder durch die gewohnte „grüne Hölle“. Ein Graureiher ignoriert uns regungslos, eine alleinerziehende achtfache Entenmutter flieht mit ihrer Brut in den Schilfgürtel.
Unterstützt von einer kräftigen Strömung und aufkommendem Rückenwind beschleunigen wir den Ratsvierer mit ruhigen Wanderschlägen auf 15km/h. Kurz vor Weißenfels wird am linken Ufer der erste von drei Weinbergen sichtbar. Ein terrassierter Steilhang, mineralisches Terroir, das dem Weißburgunder aus dem Saale-Unstrutgebiet den regionaltypischen Geschmack verleiht. Am rechten Ufer erscheint das Haus des Weißenfelser RV, das wir für unsere Mittagsrast vorgesehen haben und finden einen schattigen Platz auf der ausladenden Restaurantterrasse mit Saaleblick. Das Tagesspecial offeriert eine Kaninchensülze. Zarte Würfel vom Rückenfilet des Halleschen Schlappohrrammlers ( Cuniculus genscheri ) in mildsaurem Aspik an Remoulade mit frischen Kräutern aus dem Klostergarten und auf den Punkt kross gerösteten Pataten. Dazu ein Wernesgrüner Pils. Rudererbauch, was willst du mehr?
Die Trennung fällt uns schwer, aber derart gestärkt ist der Rest der Etappe mit weiteren drei Schleusen das reinste Vergnügen. Früher als erwartet erreichen wir unseren Bootsplatz in Bad Dürrenberg und deponieren unsere Boote neben die C.W. Ente, die erst morgen, wenn Rüdiger Z. und Christian F. mitrudern, mitschwimmen darf.
Gerd erwartet uns bereits und kutschiert uns mit dem Vito über Leuna, das auch ein Blinder sicher ortet, solange sein Geruchssinn funktioniert, nach Halle in unser zentral gelegenes Hotel, in das wir uns für die nächsten zwei Nächte einquartieren.
Geduscht schlendern wir in Richtung Marktplatz, durchqueren das architektonisch gelungene Steintorquartier, das in einer spannenden Mischung aus renovierter Altbausubstanz und modernen Bauten mehrere Institute der Uni Halle beherbergt, werfen einen Blick über blühende Terrassen auf die Oper von 1886 und auf die Fassade des im Historismus erbauten Postamts und finden am Rande des Marktplatzes ein Hallenser Brauhaus, um unser errudertes Flüssigkeitsdefizit mit dem einen oder anderen Krug der Hausbiers auszugleichen und begnügen uns nach dem guten Mittagessen mit hausgemachtem Flammkuchen.
Dietrich und ich probieren einen Weißwein von der Unstrut, der uns am Gaumen mit Aromen von grünen Beeren und Zitrusfrüchten und im Abgang mit jamaikanischer Jamswurzel überrascht und zu einem zweiten Viertel verführt. Ein schöner Abschluss eines perfekten Rudertages.
Samstag, der 1.7.2017, von Bad Dürrenberg nach Halle, 38km, 7 Schleusen
Das Hotel offeriert uns ein Firstclass-Frühstück und ein Lunchpaket, für das wir uns entschieden haben, um beim Mittagessen weniger Zeit zu verlieren. Graue Wolken ziehen am Himmel. Der Wetterbericht prophezeit 70% Regenwahrscheinlichkeit. Optimistisch setzen wir auf die restlichen 30%. Von Bad Dürrenberg startet nun die vollständige Armada die heutige „Mörderetappe“ mit knapper Marathondistanz und sieben Schleusen. Schon nach der ersten ist die Saale breiter und fließt langsamer. Ein wechselhafter Wind, meist von vorn wehend, kräuselt das Wasser. Mit druckvollen Schlägen nehmen wir Fahrt auf und umfahren östlich Leuna, dessen Braunkohlekraftwerk weit sichtbar eine mächtige Qualmwolke in den Regenhimmel bläst. Schwaden von aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen ziehen über den Fluss. Vier kanadische Migranten hocken geduckt am Ufer. Warum sie sich gerade diese triste Stelle als neue Bleibe gesucht haben, bleibt ihr Geheimnis. Gänse sind halt auch nur Menschen.
Nach weiteren fünf Kilometern schlängelt sich der Fluss, durch zwei Schleusen um vier Meter abgesenkt, durch Merseburg, dessen Schloss aus dem 15. Jh. uns leider nur die dem Wasser zugewandte B-Seite präsentiert. Nördlich davon erreichen wir am linken Ufer, früher als erwartet und immer noch trocken den Anleger der Merseburger RG mit seiner großen Restaurantterrasse. Anstatt wie eigentlich geplant dort zu speisen und die gepflegten Toilettenräume aufzusuchen, mümmeln wir uns zwei weich gewordene, belegte Brötchen und ein hammerhartes Ei aus unseren Doggybags rein und pilgern zum ersten, von den Gästen auf der Terrasse nicht einsehbaren Baum.
Weiter geht’s in Richtung Halle. Bald begegnen uns die ersten Fahrgastschiffe, von denen uns eins zum billigen Vergnügen der angeschickerten, hämisch jauchzenden Passagiere eine Heckwelle ins Boot schaufelt. Wir nehmen es sportlich. Kein Muskel streckt einen unserer zehn Mittelfinger.
Vorbei an tristen, verfallenden Industriegebäuden hangeln wir uns von Schleuse zu Schleuse, was zwar Zeit kostet, aber auch die lange Tagesstrecke strukturiert und die muskuläre Regeneration ermöglicht, aber leider nicht die wunden Sitzbeinhöcker entlastet. Da helfen auch weder Flensburger Kellerbier noch Dosenwürstchen.
Im Norden von Halle, kurz vor der Schleuse Trotha, haben wir nach fast acht Stunden beim Halleschen Uni-Ruderclub unser Tagesziel erreicht. Bis auf einen kurzen Schauer war es trocken geblieben und wir haben die Herausforderung besser bewältigt als befürchtet. Mit etwas wackeligen Knien und schmerzenden Hinterteilen ziehen wir unsere Boote an Land.
Ruderern, die nicht aus Hameln stammten, käme jetzt der Vers von Heinrich Heine „Brennt mir der Hintern in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht“ in den Sinn. Wir Hamelenser kennen allerdings nur Auguste Heine, benutzen Ewalds Gesäßcreme, kneifen die Backen zusammen und werden ratzen wie die Murmeltiere.
Zuvor jedoch pilgern wir auf unelastischen Beinen zum Marktplatz, umrunden die viertürmige, frühgotische Marienkirche und bestaunen den imposanten, freistehenden Glockenturm, an dessen Nordostseite der Hallesche Roland steht, ein Symbol für Halles frühe „Blutgerichtsbarkeit“. Durstig und hungrig finden wir im „Gasthof Schad“, einem urigen, historischen Lokal, einen genügend großen Tisch, um unsere vollbrachte Tagesleistung bei Speis und Trank gebührend zu genießen.
Sonntag, der 2. Juli 2017, von Halle nach Wettin, 18km
Bei strahlendem Sonnenschein starten wir zu unserer letzten Etappe mit der Durchfahrt durch die Schleuse Trotha. Danach ist die Saale durch den Zufluss der Weißen Elster südlich von Halle zu einem breiten Strom mutiert. Am rechten Ufer stapeln sich im Hafengelände Container einer chinesischen Reederei. Der Hafen wirkt verlassen und menschenleer. Nichts bewegt sich.
Vielleicht liegt es am Sonntag. Flussabwärts lichtet sich der grüne Bewuchs und lässt Ausblicke auf die hügelige Landschaft zu. Eine Schafherde weidet auf einer grünen Kuppe. Es sind die ersten Vierbeiner, die wir zu sehen bekommen. Abgesehen von zwei Schleusenkötern, die unsere Würstchenration gewittert hatten und sich zum Glück nicht trauten, unser Boot zu entern.
Am rechten Ufer bieten rötliche Felswände Mauerseglern Unterschlupf. Ein gelb blühender Teichrosenteppich dümpelt auf dem glatten Wasser. Bei Brachwitz ist eine Gierfähre zu passieren. Die letzte Herausforderung für unseren heutigen Steuermann Michael.
Auf der Höhe des Yachthafens und Campingplatzes von Salzmünde wird uns als Highlight des Tages von der Besatzung der Schwalbe eine Performance geboten, welche adäquat zu beschreiben meine schriftstellerischen Möglichkeiten überschreitet.
Mitten im Strom versuchen Ewald ( Steuermann ) und Bernd auf dem Bugplatz ihre Plätze zu tauschen. In einer ausgeklügelten Choreographie kriechen beide vierfüßig, Hände und Füße auf den Leisten des Dollbords voranschiebend, die Hintern steil zum Himmel gereckt, um die unter ihnen kauernden Mannschaftskameraden nicht unschicklich zu berühren, in Zeitlupe aber mit eigenartig zuckenden Bewegungen, wie man sie vom Chamäleon kennt, das seine Beute anschleicht, bug- bzw. heckwärts. Ein Ritual, wie man es nur beim Balztanz krakenartiger Tetrapoden zu sehen bekommt. Diese Darbietung, eine hybride Verschmelzung aus Slapstick und modernem Tanz, hat Youtube-Potential. Vor ihrem Hauszelt hält eine junge Mutter bei diesem Anblick die linke Hand vor die Augen ihrer sechsjährigen Tochter, um gleichzeitig, begleitet von einem Jubelschrei, die rechte als Beckerfaust in die Luft zu rammen. Einem mittelalten Ehepaar, das gerade auf seiner Motoryacht zu Mittag diniert, klappen die Kinnläden herunter und die Löffel auf den Tellerrand.
Die letzten Kilometer vergehen fast zu schnell. Auf einem steilen Felsen gelegen werden das Schloss von Wettin und eine langgestreckte Burganlage sichtbar. Wir haben das Ziel unserer Wanderfahrt erreicht.
Um 14 Uhr sind unsere Boote verladen und wir haben noch Zeit, um uns in Sylvanas Blockhaus, einer Uferterrasse mit Abbrathütte unterhalb des Schlosses, für die Rückfahrt zu stärken.
Die Kreidetafel bietet Bratwurst in vier Variationen, zwei Spiegeleigerichte und Soljanka, den untoten Resteeintopf aus der real existierenden Gastronomie des wilden Ostens. Die heutige ist rot-braun und von sämiger, mit Speisestärke angedickter Konsistenz, wird in tiefen Schalen serviert und erlaubt keinen Rückschluss auf die unter der Oberfläche lauernden stückigen Zutaten.
Die meisten von uns lassen sich auf das Abenteuer ein und sind offensichtlich zufrieden und gut gesättigt. Nur Hans-Henning, der den Vito zurückchauffieren wird, benötigt eine ausreichende Kalorienzufuhr und bestellt – entgegen des uneigennützigen Rates der Wirtin – noch zusätzlich Bratwurst mit Pommes und scheitert kläglich.
Wir verabschieden uns von den Pkw-Fahrern unter den Blicken von drei Bewohnern des gegenüber liegenden Mietshauses, die bei geöffneten Fenstern, die Ellenbogen auf eine vierfach gefaltete Mollidecke gestützt, das Gesicht zwischen beide Handflächen geklemmt, unbewegt auf das vorüberfließende Wasser der Saale starren, das uns ungebeten in ihr Dorf getragen hat.
Als wir in den Vito steigen, beginnt es zu regnen. Rüdiger H. und ich schieben uns auf der hinteren Bank unsere Fließpullover unter den Nacken und fallen in einen komatösen Schlaf, aus dem wir erst jenseits von Seesen erwachen.
Hans-Henning ist immer noch, von der Soljanka gedopt, putzmunter und bringt uns sicher zum Bootshaus.
Epilog:
Im Nachsinnen reift bei mir die Erkenntnis, dass Perfektion nur bei chinesischen Göttern Zorn erregt. Die deutschen Götter lieben das Perfekte, sind aber ungehalten, wenn man mit einem Hänger unterwegs ist, dessen TÜV-Plakette seit Monaten abgelaufen ist. So ist ihr Groll auf der Hinfahrt verständlich. Und für die sorgfältige Inspektion der Elektrik durch Hans-Henning und Maximilian belohnten sie uns mit fast idealen Wetterbedingungen, wenn man bedenkt, dass zur selben Zeit Berlin fast abgesoffen wäre und Hameln im Dauerregen vergraute. Daraus sollten wir lernen.
Und was hatte die Saale zu bieten?
Eine Ruderwanderfahrt für Puristen! Denn der Ruderer braucht den Fluss, trockenes Wetter, eine nicht zu weiche Matratze, gutes Essen, reichlich kühles Bier, ein unkaputtbares Boot und Mannschaftskameraden, die die eigenen Schwächeanfälle ohne zu murren diskret kompensieren. Weiter nichts. Und davon gab´s eine Menge.
Vico von Bülow hätte es wohl so ausgedrückt:
„Ein Leben auf der Saale ist möglich, aber nur mit Bier und Bockwurst an Bord“.
Mit der Annahme, dass dieser Bericht nicht nur mein erster, sondern auch mein letzter ist, schließe ich mit einem patriotischen
RCGH FIRST !!!!!!!
Euer Ruderkamerad Georg
Und noch ein Gedicht oder Epilog 2:
In Naumburg an der Saale
In Naumburg an der Saale, da ging ein Regen schwer.
Wir standen nah am Wasser, die Zweige tropften leer.
Die Enten schwammen munter in ihrem Element.
Uns ward es immer nasser bis auf das Unterhemd.
Aus Gras und Busch, aus allen Uferecken
krochen die nackten, die bräunlich-gelben Schnecken.
Uns aber halfen Kapuzen nicht noch Kragen,
doch wollten Uta unsern Kummer wir nicht klagen.
Wir legten die Boote kieloben ins Gras
und die Skulls darunter den Schnecken zum Fraß.
Wir zogen uns dann ins Auto zurück
und warteten bänglich auf neues Wetterglück.
In Naumburg an der Saale gibt es Kultur zuhauf,
doch dieser Dauerregen nahm uns die Lust darauf.
Bernd Bruns, Naumburg, den 29. Juni 2017
Die Ruderkameraden am Ende (in Wettin)