Ruderwanderfahrt 2015: Mittelelbe (von Pretzsch bis Aken)



Nach langer Abwägung entschied sich der Club nicht die Elbgewässer um und in Hamburg zu befahren, sondern unsere Oberelbe-Tour von 2014 gewissermaßen fortzusetzen. Ein Vorauskommando (Gerd Ohlendorf und Bernd Bruns nebst Ehefrauen) erkundete die Lage rings um Barby,  Aken, Dessau-Roßlau, Wittenberg und Pretzsch und fand auch nach einigem Suchen ein geeignetes Übernachtungsquartier in der Lutherstadt Wittenberg:  das Brückenkopf-Hotel mit eigenem Yachthafen und Campingplatz, also direkt an der Elbe gelegen und in einer ehemaligen Festungsanlage komfortabel eingerichtet.

Nach weiterem längeren Hin und Her stand auch endlich das Ruder-Personal fest, das Hotel konnte  entsprechend informiert und die Bootsfrage geklärt werden. So wurden am Mittwoch, dem 1. Juli 2015 die „Stromschnelle“ (Doppelvierer), der „Ratsvierer“ (Riemenvierer) und die „CWEnte“ (Doppelzweier) verladen und die Fahrt konnte am Donnerstag, dem 2. Juli starten. Im „Sprinter“ fuhren Maximilian, Gerd O., Dietrich, Georg, Christian und Bernd. Exakt um 9.09 Uhr verließen sie das RCGH-Gelände und fuhren über Hildesheim und die B6-Nordharz nach Köthen und von dort nach Wittenberg, wo sie gegen 14.00 Uhr anlangten. Das Thermometer zeigte inzwischen 31,5 ° C. Vorher waren schon die Ruderkameraden Wolfgang, Klaus und Ewald per PKW angelangt, so dass dann alle neun gemeinsam im „Sprinter“ zur geplante Kultur-Exkursion aufbrechen konnten.

Das Ziel war Wörlitz, genauer gesagt die Wörlitzer Parkanlagen, dieses beeindruckende Gesamtkunstwerk im englischen Gartenstil. Einer der Höhepunkte war der Besuch des „Gotischen Hauses“, des privaten Refugiums und der Schatzkammer des Fürsten Leopold III Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. Gezeigt wurden anlässlich des Cranach-Gedenkjahres ca. 20 seiner Werke im Original. In Filzpantoffeln über die kostbaren Holzböden gleitend,  ließen wir uns die Gemälde erklären. Nach einer kurzen Fährübersetzung nahmen wir dann Platz zum Getränkefassen im „Gasthaus zum Seeblick“  - natürlich im Schatten –  und erholten uns von den Landschafts- und Kunstgenüssen. Kurz nach der Rückkehr nach Wittenberg rüsteten wir uns gegen 18.30 Uhr zum Fußmarsch vom Hotel in die Innenstadt. Zwar nahmen wir den kürzesten Weg (Elbdamm, Elbbrücke), doch die etwa 3 km waren arg lang, zumal eine sog. tropische Nacht bevorstand. Gespeist und vor allem getrunken wurde im „Hotel und Brauhaus Wittenberg“ , und zwar im Biergarten im Stadtzentrum. Einige zogen die Rückkehr ins Hotel mit dem Taxi vor, andere machten sich zu Fuß auf den nächtlichen Rückweg.


Freitag, 3. Juli 2015

Ein heißer Tag stand uns bevor, es sollten 34 ° C werden. Nach dem gemütlichen Frühstück um 8.00 Uhr fuhren wir mit dem „Sprinter“ und den beiden Vierern nach Pretzsch (Stromkilometer 185). Kurz hinter der Gierseilfähre machten wir uns startklar und konnten gegen 10.30 Uhr endlich loslegen. Da wir ja bisher nur zu neunt waren, fehlte uns ein Ruderer. An selbiger Stelle und zur selbigen Zeit wollte auch der Frauenruderverein Lübeck mit seiner in Dresden angeheuerten Barke nach Wittenberg starten. Also fragten wir, ob sie uns nicht eine Ruderin/Steuerfrau abgeben könnten. Sie waren auch gar nicht abgeneigt, wollten aber erst ihre Chefin fragen, die noch nicht da war. Dies dauerte uns aber zu lange, so dass der Riemenvierer mit Wolfgang als Steuermann und Dietrich, Christian, Georg und Ewald und der Doppelvierer mit Klaus als Steuermann und Maximilian, Gerd und Bernd (ohne die Nr. 2) aufbrachen. Die Lübeckerinnen haben uns später fröhlich winkend wieder getroffen, kurz nachdem wir vor Elster ein Elbe-FKK-Bad genossen hatten (nicht alle!). Danach gelang es Steuermann Klaus, die Gierseilfahre – dank des umsichtigen Fährführers – mit knapper Not  heil zu umschiffen. Am Platz des KV Harmonie Elster-.Elbe (km 201) hielten wir Mittagspause. Einige speisten im Wirtshaus „Zum Anker“, andere verzehrten ihr Mitgebrachtes direkt am Ufer. Dies war auch gut so, denn als das Flusskreuzschiff „Theodor Fontane“ vorbeirauschte, galt es die Boote zu sichern. Die Nachmittagstour verlief trotz drückender Hitze angenehm. Außer einem regen Badebetrieb in der muddig-trüben Elbe blieb es ruhig, kaum Boote, geschweige denn Schiffe , aber eine reiche Vogelwelt bevölkerte Land und Wasser. Gegen 15.45 Uhr konnten wir in „unserem“ Yachthafen in Wittenberg (km 214) anlanden.

Da wir bereits um 16.30 Uhr eine Stadtführung in Wittenberg verabredet hatten, galt es sich zu beeilen. Wolfgang fuhr mit seinem Mercedes zweimal, verlor aber viel Zeit (warum eigentlich?), so dass unser Guide Clemens Huth, ein Student der Theologie, gebürtiger Wittenberger und Bekannter von Maximilian, nurmehr eine halbe Stunde zur Verfügung stand. Er zeigte uns das Lutherhaus, die Uni Leucorea , das Röhrwassersystem und vor allem die Stadtkirche. Hier sahen wir wiederum originale Cranach-Gemälde und genossen – und das war der zweite kulturelle Höhepunkt unserer Fahrt – ein barockes Orgelkonzert mit Prof. Lamberti an der Sauer-Orgel (Werke von V. Lübeck, D. Buxtehude und J.S. Bach). Es war dies das traditionelle 30 minütige Freitagabend-Konzert („Orgelmusik zum Wochenschluss“). Nach dem Musik- nun der Ess- und – noch wichtiger – Trinkgenuss. Nach einigem Suchen, denn viele Lokalitäten waren vorbestellt oder ausgebucht, fanden wir ganz in der Nähe der Stadtkirche freie Tische in der Gaststätte „Toscana“. Wolfgang , Maximilian und Ewald, die den „Sprinter“ samt Anhänger aus Pretzsch wieder nach Wittenberg kutschiert hatten, kamen hinzu und auch unsere Nachzügler (Rüdiger mit seinen beiden Neffen Christian und Malte sowie Kai) waren inzwischen  heil in Wittenberg angelangt und konnten unsere Runde vervollständigen: ein heißes Ambiente in schöner Umgebung mit tropischen Temperaturen (und unter der Gedenktafel an Gotthold Ephraim Lessing). Nur der Rückmarsch (für einige) dämpfte die Laune.


Sonnabend, 4. Juli

Unser Hauptrudertag war der heißeste Tag seit Menschengedenken und schlug die Hitzerekorde in Deutschland seit ihrer Messung. Wir erreichten mühelos 37,5 ° C! Nach fröhlichem Frühstück um 8.00 Uhr machten sich alle drei Boote vom Yachthafen aus auf den Weg in Richtung Coswig. Die Devise war: Gut eincremen, viel trinken und alle 5, später 4, dann auch alle 3 Kilometer eine Trinkpause einlegen und ab und zu anlegen, um in das Elbewasser einzutauchen. Auf diese Weise verlor Wolfgang seine Kamera (wohl beim Ein- oder Aussteigen unbemerkt aus der Hosentasche gefallen). Mittagspause hielten wir in Coswig (km 236) und ließen uns in den „Elbterrassen Wörlitz“ (linkes Ufer) häuslich nieder. Da der (elektr.) Strom linkselbisch ausgefallen war, mussten wir mit kalter Küche – gut bei der Hitze – vorlieb nehmen. Zufällig legten dort auch 3 Jet-Ski-Fahrer an und einer von ihnen war – gegen ein Entgelt – bereit, mit Wolfgang als Sozius sich auf die Suche nach der verlorenen Kamera zu machen. Leider vergeblich, so dass auch die unsterblichen Fotos für immer perdu sind. Dann die Nachmittagshitzefahrt durch das „Naturreservat Mittelelbe“: rudern, schwitzen, trinken, baden, rudern, schwitzen, trinken etc. Eine reiche Vogelwelt (Kolonien von Weißstörchen, Uferschwalben, Kibitzen, Kormoranen, Reihern, unterschiedlichen Gänse- und Entenarten) bot Abwechslung auf dieser ruhigen, aber auch  - trotz lauschiger Sandbuchten - etwas  monotonen Uferlandschaft. Wieder war ein Verlust zu beklagen: Steuermann Wolfgang büßte (unbemerkt!) den Enterhaken ein, den später per Zufall unser Zweier (Malte sei gelobt) wieder auffischte. Endlich – nach erfolgreicher Vermeidung der Kollision mit einer Fahrrinnentonne – erreichten alle Boote gegen 16.30 Uhr unser heutiges Ziel: den Anleger der „Roßlauer Rudergesellschaft“ (km 258).

Nun galt es, die nahe Regiobahn, die nur alle Stunde fährt, zu erreichen und vor allem aus dem Automaten am Bahnhof Rosslau die richtigen Tickets für alle zu ziehen. Da es nicht gelang, Einzelfahrscheine zu lösen, musste das viel teurere Sachsen-Anhalt-Ticket für je 5 Personen herhalten Der Zug um 17.20 brachte uns dann alle zurück nach Wittenberg und keiner kontrollierte uns! Vom Bahnhof Wittenberg-Altstadt musste dann noch der lange Fußmarsch – mit dem Tagesgepäck – bis zum Hotel bewältigt werden. In weiser Voraussicht hatte Dietrich schon Plätze und Abendessen im Restaurant „Alte Canzley“ gegen 19.00 Uhr für uns bestellen bzw. reservieren lassen. Da alle Helden ziemlich erschöpft, einer sogar unpässlich war, wurden Großraumtaxis bestellt, die uns direkt vor der Tür der „Alten Cancley“ im Stadtzentrum abluden.  Dort im Garten konnte nun der gemütliche Teil des Tages begossen und genossen werden. Bernd verlas eine E-Mail unseres Ruderkameraden Wilfried (Pindus) Lindemann, den mit Dessau eine enge Verbindung verknüpft und der gern mit uns gefahren wäre. Georg (Gregor) zitierte eigene Zeilen, die sich humorvoll-parodistisch auf die Lutherischen Thesen bezogen (siehe Anhang) und Gerd (Lutz) ließ die Geschichte des Landes Anhalt und des Geschlechtes der Anhaltiner lebendig werden. Am Ende des „Gelages“  wurde wieder ein Großraumtaxi geordert (für acht Ruderer), während die übrigen vier den Heimweg zu Fuß antraten, allerdings nicht ohne unterwegs nochmals in einem Biergarten einzukehren, denn der Durst war allzu unbändig. Diese vier verpassten so das Fußballspiel (ab 22.00 Uhr) der deutschen Frauen-Nationalelf um den dritten Platz (WM in Kanada), das diese auch prompt verloren.


Sonntag, den 5. Juli

Frühstück wie gewohnt um 8.00 Uhr, Einpacken und Lösung logistischer Probleme: Der „Sprinter“ nebst Anhänger sowie zwei PKW´s mussten an den Endpunkt gebracht werden. Wegen der anhaltenden Hitzewelle hatten wir uns für die kürzere Etappe (nach Aken) entschieden. Die Übrigen warteten derweil in Rosslau bei den Booten auf die Wiederkehr einer der beiden Pkw`s und das dauerte und dauerte. Gott sei Dank konnten sich diese Wartenden ins Gras unter eine Ulme am Ufer legen, sogar frische Getränke ordern und so der Hitze etwas entgegensetzen. Endlich um 11.30 Uhr (!) waren die Mannschaften komplett und konnte die letzte Etappe beginnen. Wieder herrschten 35°
C, wieder wurde unterwegs gebadet und unendlich getrunken. Aber wir wollten um 13.00 Uhr in Aken (km 276) sein, da der dortige Ruderclub uns das Tor bis zu dieser Zeit aufhalten wollte. Wir gelangten auch kurz nach 13.00 Uhr dort an; aber die Furcht war unbegründet, ein gemütliches Ehepaar hatte (für uns) Zeit und Muße. So konnten einige von uns zunächst wieder einmal ins trübe Elbwasser springen. Auch eine wunderbar erfrischende Dusche im Bootshaus war möglich. Nach dem Verladen der Boote trennten sich dann wieder unsere Wege. Wolfgang fuhr mit Dietrich, Klaus und Ewald direkt zurück, während die anderen im nächstgelegenen Elbterrassen-Lokal in Aken einkehrten und Omi`s (!) Kuchen bzw. Bockwürstchen und diversen Getränken zusprachen. Rüdiger mit Kai und seinen beiden Neffen machte sich dann ebenfalls auf den Rückweg, während die letzten fünf Mohikaner (Maximilian, Gerd, Georg, Christian und Bernd) den Bootstransport zu  bewältigen hatten. Zurück ging es auf dem selben Wege, Maximilian fuhr unentwegt, die Temperatur im Auto war nicht durch die Klimaanlage zu bändigen und konnte nur bei offenen Fenstern mit Mühe ertragen werden.  Hinter Marienau aber gerieten wir in ein derart heftiges Gewitter, dass wir nicht mehr die Hand vor Augen sahen und auf einem Parkplatz an der B 1 Zuflucht suchen mussten. Selbst die Handys funktionierten nicht mehr, die Temperatur fiel in kürzester Zeit um die Hälfte, Blätter und Zweige prasselten um uns herum und wir fürchteten um unsere Boote. Endlich aber ließen Gewitter und Sturm nach, wir konnten weiterfahren und erreichten bei Trockenheit das Bootshaus gegen 19.30 Uhr. Zu geschafft, um noch die Boote abzuladen, bugsierten wir den Bootsanhänger in die Halle und gaben den „Sprinter“ - vollgetankt – wieder bei Fa. Dreyer ab.

Am Montag, dem 6. Juli dann um 14.00 Uhr der Endakt: Entladen und Aufriggern der Boote, immerhin waren vier Ruderkameraden erschienen.

Fazit: ca. 750 gefahrene Autokilometer, 85 geruderte Flusskilometer, literweise geschluckte Getränke aller Art, viel vergossener Schweiß, Sonne pur, keine Schnaken, nur 4 Jodelbrücken, drei Nächte in einem empfehlenswerten Hotel, Kulturevents und Sport, Weltkulturerbe und Fauna und Flora in harmonischer Einheit, und das Gefühl, als Alte Herren heroisch der Affenhitze getrotzt zu haben. 
                                                                                                                                  Bernd Bruns

Als Anhang noch zwei lyrische Produktionen.

1) Die überlebensgroße rote Lutherstatue auf dem Elbedamm in der Nähe unseres Hotels inspirierte Bernd Bruns zu folgenden Vierzeilern:

Der rote Luther


Und dieser Luther steht in Rot geschlagen
am Hafeneingang Brückenkopf in Wittenberg
hoch auf dem Elbedamm und merk:
rot wie Zorn, wie Sozialismus in den Tagen,

als rot die Farbe war des Staates
und Monopol der gleichgestellten Meinung.
So steht er da im Rot seines Ornates
als die Figur des Ja wie der Verneinung

und predigt über Elbe hin und Stadt
von beiden Reichen, die da kollidieren.
Er lässt den Wasserwanderer passieren
und hofft, dass er von seinem Geist getrunken hat.

2) Georg Streichert gab folgenden Text, natürlich auch durch den genius loci inspiriert, zum Besten:

Mit Luthers Thesen an Wittenbergs Tresen.

Steht man in Wittenberg am Tresen,
sollte man auf Luther hör´n.
Seine fünfundneunzig Thesen
sind ein „Muss“ vorm Elbetörn.

„Ihr Ruderer saufet wie die Kühe!“
ermahnt uns Luthers These zehn.
„Es war nur einmal, aus Verseh´n.
Versprochen, Herr! Man gibt sich Mühe!“

„Ihr sollt keine Krebse fangen!“
So lautet seine These sechzig.
„Das ist selten gut gegangen.
Bedenket wohl! Poseidon rächt sich!“

„Salbet eure wunden Hände!“
Das rät er uns in These acht.
„Blasen sind des Ruderns Ende.
Sind sie geplatzt, dann gute Nacht.“

These sechs trifft in die Vollen
wie die Axt ins morsche Brett:
„Quietschen die Pinsel in den Dollen,
sparet nicht mit Schweinefett!“

„Brennt der Arsch wie Fegefeuer“,
ist in These neun zu lesen,
„zahlet keine Ablasssteuer.
Nur betend werdet ihr genesen.“

Wo er Recht hat, hat Luther Recht.
Er war doch selber Ruderknecht.

Abfahrt am 2. Juli 2015



Rast unterwegs



Einsetzen in Pretzsch



Gierseilfähre Elster



Elbterrasse Wörlitz/Coswig



Wörlitz: Landschaftspark



Crnach-Ausstellung/Gotisches Haus/Wörlitz



Gotisches Haus



Goethe in Wörltz



Fährfart Wörlitz



Führung durch Wittenberg



Marktplatz Wittenberg



Bespiegelung



Stadtkirche Wittenberg



Sandbank 1



Sandbank 2



Boote vor Flusskreuzschiff



Aken: vor der Rückreise


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